. . .zu predigen den Gefangenen, dass sie los sein sollten . . . (Luk 4:18)
Das brennendste Moment unter allen Momenten in den 50 Jahren der Predigten, Reisen, dramatischen Weilen und Gefahren habe ich gleich an dem ersten Tag erlebt. Es war der 1. Mai 1959, ich habe damals auf dem Bahnsteig eines kleinen Bahnhofes in Krempe / Holstein in Deutschland gestanden.
Ich wurde neu 19, und zu diesem Zeitpunkt war ich immer an der Seite meines Vaters, Pastors einer kleinen Pfingstkirche. Er war mein Lehrer und Ratgeber. Er war Mann festen Charakters, voll des Willes. Er hat mich zur Taufe in heiligem Geist geführt. Ich wollte in seiner Kirche predigen, aber er hat mich im Zaum gehalten.
Ich habe zu Hause als ein Schiff in der Geborgenheit des Hafens gelebt. Doch das war nicht für mich. Wozu war ich also bestimmt? Ich habe schon demonstriert, dass ich kein Zimmermann werde. Also was nun?
In der Zeit sind viele aus dem Ostdeutschland nach Westdeutschland davongelaufen. Ungefähr 2 Mio. Menschen sind in Flüchtlingslager geraten. Diese Lawine von Flüchtlingen hat ein großes Problem dargestellt. Es wurde die Organisation „Berliner Flüchtlingsmission" gegründet, die den Menschen in Lagern Evangelium und die nötige praktische Hilfe mitgebracht hat.
Eine der Missionsarbeiterinnen war Marion Franz, meine Lehrerin in der Sonntagsschule. Sie und ihr Ehemann haben mir angeboten, mit ihnen in dem Lager zu arbeiten und den Menschen Evangelium zu bringen. Das war ein Aufruf für mich. Ich sollte aus meinem Nest in das Unbekannte hinausfliegen. Ich habe dieses Angebot fröhlich angenommen.
Der große Tag trat am 1. Mai 1959 - vor 50 Jahren - ein und ich habe zusammen mit meiner Mutter auf dem kleinen Bahnhof in Krempe gewartet. Der Zug ist angekommen und ich war so glücklich. Dann ist etwas Unerwartetes geschehen. Meine Mutter hat in Weinen ausgebrochen. Niemals vordem habe ich sie so gesehen. Das hat mir mein Herz zerrissen. Ich habe sie lange umarmt.
Der Zug ist losgefahren und ich sollte meinen Lebensweg beginnen. Die Mutter ist zurück nach Hause in Tränen gekommen. Ich habe in mir selbst gewusst, dass ich an diesem Tag den Weg angetreten habe, für den mich der Herr ausgerüstet hat. Ich habe mir Psalm 143:8 gelesen: „Lass mich frühe hören deine Gnade; denn ich hoffe auf dich. Tue mir kund den Weg, darauf ich gehen soll; denn mich verlangt nach dir."
Nach der Ankunft in das Flüchtlingslager in Berlin habe ich mich ein bisschen verloren gefühlt. Es hat dort mit den Flüchtlingen die Predigerin Inge Schimanke gearbeitet. Sie hat mich mit der Umgebung und mit meiner Aufgabe vertraut gemacht. Ich habe 4x im Tag Evangelium gepredigt, aber es ist schwer gelaufen. Die Erde für den Samen hat tot und schwer ausgesehen. Nach drei Monaten habe ich mich leer und erschöpft gefühlt.
Ich habe eine Sache in dem Lager begreift: Ich muss irgendwohin abfahren, wo man mich so ausrüstet, um ich die große Sendung tragen konnte. Jesus hat seine Jünger in die Welt erst danach gesandt, wenn sie mit ihm 2 bis 3 Jahre verbracht haben, ihm zugehört, ihn betrachtet und mit ihm gelebt haben.
Wo soll man studieren? In Deutschland waren einige Schulen, und man hat erwartet, dass ich dorthin gehe. Ich habe mich für die Bibelschule in Wales entschieden. Es hat mir ihre klare Lehre und das Praktizieren des Glaubens an Gott gefallen. Ich wollte von Gott mehr wissen und noch mehr habe ich mich nach dem gesehnt, ihn - sein Herz und seine Macht - näher kennen zu lernen. Er war lebendiger Gott. Ich wollte ihm dienen. Es hat mich ganz verzehrt.
Ich habe niemals daran gezweifelt, dass mein Studium an der Bibelschule in Wales Gottes Wille ist. Aber der Weg des Glaubens ist nicht immer glatt. Ich habe die Anmeldung eingereicht, sie wurde wegen meiner Unkenntnis der englischen Sprache abgelehnt. Trotzdem habe ich am Ende des Jahres 1959 mit dem Studium an dieser Schule angefangen, ich habe die Kurse der englischen Sprache begonnen zu besuchen und nach zwei oder drei Monaten habe ich zum ersten Mal englisch gepredigt. Und es hat funktioniert!
Nach einigen Jahren bin ich zurück nach Deutschland gekommen. Während der Heimreise hatte ich ein paar Stunden mich London zu besichtigen. Drin habe ich an einem Haus den Namen von George Jeffreys - dem größten Evangelisten nach John Wesley - gesehen. Und an dem Tag habe ich diesen Mann getroffen, ich habe mit ihm gesprochen und er hat über mich gebetet und auf mich die Hände aufgelegt.
In der Schule habe ich begreift, dass ich Evangelist werden soll. Nur Evangelist. Ich habe ein paar Einsätze geführt und ich und meine Frau haben die Kirche gegründet. Später haben mich auch andere deutsche Kirchen akzeptiert. Ich, meine Frau und unser erster Sohn sind mit dem Schiff nach Afrika abgereist.
Afrika war meine Berufung. Es wurde vor mir ein neues Wirkungsfeld eröffnet und zusammen, ich und meine Frau haben unsere Arbeit in Afrika in Lesotho unter der Schirmherrschaft von AFM begonnen. Unsere Arbeit in Lesotho hat sich verbreitet und hat die Grenzen und Sphäre der Tätigkeit und des Aufkommens der deutschen Missionsgesellschaft übergreift. Wir hatten keine andere Möglichkeit als diese Gesellschaft zu verlassen und auf eigene Faust zu arbeiten.
Was sollte ich allein auf so großem Kontinent tun? Wochenlang habe ich mir den Kopf zermartert. In meinen Träumen und in meinem Kopf hat ein Satz gelautet: „Ein blutgewaschenes Afrika".
Binnen einiger Wochen hat die Arbeit begonnen, die wir jetzt Christ for all Nations (Christus für alle Nationen) nennen. Ich habe gewusst, dass ich beschenkt bin Evangelist zu werden. Und die Gottes Führung und Segen, die ich als Evangelist hatte, hat die weiteren Diener herangezogen und das Team ist um uns gewachsen. Gott hat uns für unsere Arbeit - die verlorene Welt für den Herrn zu gewinnen - begeistert. Gott hat sich mit uns in seiner höchsten Sehnsucht - Rettung der verlorenen Welt - geteilt.
Die Generationen von Gläubigen haben hundert Jahre für die Erweckung und Rettung der Welt gebetet und wir haben in Afrika begonnen „den Regen vom Himmel" zu beobachten. Es war unglaublich, die Menschen haben immer mehr nach dem Evangelium getrachtet. Es ist in geistlichen Sturm wunderbarer Heilungen und Rettungen hinausgewachsen - es hat das Buch der Apostelgeschichte fortgesetzt.
Wahrlich können wir sagen, dass „wir seine Herrlichkeit gesehen haben". Bis heute haben in unseren Versammlungen auf den Aufruf zur Rettung ungefähr 60 Mio. Menschen reagiert. Im Jahre 2008 haben mehr als 5 Mio. Menschen auf unseren Aufruf geantwortet, jeder hat seinen Namen und seine Adresse angegeben, mit jedem hat jemand unter den Beratern gesprochen, jeder hat die Broschüre bekommen und wurde in die entsprechende Kirche gelenkt.
Das Feuer der Erweckung brennt auf der ganzen Südhalbkugel - früher wurde sie als Dritte Welt genannt - und verbreitet sich nach Indien, China und auf benachbarte Inseln. Man fragt mich - warum nicht in Europa? ... Nein? Warum „nein" sagen? Afrika hat zwei Jahrhunderte nicht reagiert, wenngleich die besten unter Gottes Dienern gesät haben. Trotzdem hatten sie kleine Ernte. Afrika war oft der Friedhof von christlichen Arbeitern, sie war härterer Boden als nächstbestes Land heute. Dann hat sich die Tendenz in Afrika, Südamerika und im Orient geändert. Wenn das dort geschehen ist, dann kann diese Wende auch in Amerika, Asien und Europa eintreten. Ich glaube das.
„Denn die Erde wird voll werden von Erkenntnis der Ehre des HERRN, wie Wasser das Meer bedeckt."(Ha b 2:14, Psalm 72:19)
Reinhard Bonnke
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